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AutorenbildAndreas Hutterer

Geschichte der Obstweinerzeugung und aktuelle Situation in Oberösterreich



Die Geschichte des Obstweines beginnt mit der Sesshaftigkeit des Menschen in der Jungsteinzeit und der gezielten Kultivierung erster Apfelsorten, wie etwa des „Pfahlbauapfels“ am Ufer des Bodensees (um 4000 v. Chr.). Es wird also angenommen, dass bereits die ersten Siedlervölker der Erde Obstwein getrunken haben, allerdings in ziemlich grobschlächtiger Form, zufällig hergestellt durch ablaufende Spontangärungen der im Apfel enthaltenen Wildhefen. Die Absicht des Konsums lag damals nicht im Zwecke des Genusses und der Berauschung, sondern vielmehr war es bis zur Erfindung der Pasteurisierung (1864) der einzige Weg, den Saft über längere Zeit haltbar zu machen. [Wirtl et al. 2013]

Nachdem die Griechen sich bereits intensiv im Gartenbau versucht hatten, waren es die Römer, welche die Kunst der Optimierung und der verfeinerten Produktion auf ein neues Niveau brachten und erstmals sortenreinen Obstwein aus veredelten Obstsorten herstellten. Die in Österreich gängige Bezeichnung „Most“ geht vermutlich zurück auf die Zeit der römischen Landnahme. Es leitet sich vom lateinischen Wort „mustus“ ab, was so viel wie „frisch“ und „neu“ bedeutet. [Wirtl et al. 2013]

Mangels ausreichender Kellereitechnologie ist anzunehmen, dass der Obstmost in Österreich im Mittelalter nur eher in kleinen Mengen produziert wurde. Trotz mehrfacher Erwähnung in literarischen Quellen war er lediglich der Haustrunk im bäuerlichen Umfeld, nicht aber eine Ware, mit der auch Handel betrieben wurde.

Bedingt durch die Steuerfreiheit, die der Most zu jener Zeit um 1700 genoss, trat er mehr und mehr in Konkurrenz zu Bier und Wein. Nach etlichen Konflikten und vorübergehenden Verboten, hervorgerufen durch die Obrigkeit, die sich durch den privaten Mostverkauf um die Getränkesteuer betrogen sah, wurde durch die Herrschaft Maria Theresias und Joseph des II. die Blütezeit des Obstweines in Österreich eingeläutet. Sie erteilten unter anderem die Maßnahme, landschaftsprägende Streuobstwiesen zu kultivieren und mit einer Zirkularverordnung vom 17. August 1784 die Erlaubnis für jedermann, die von ihm selbst erzeugten Lebensmittel, Wein und Obstmost zu allen Zeiten des Jahres, wie, wann und in welchem Preise er will, zu verkaufen oder auszuschenken. Diese Verordnung ist bis heute die Grundlage aller späteren Buschenschankgesetze, womit neben dem Weinheurigen auch der Mostheurige legalisiert wurde. [Wirtl et al. 2013]

Dieser Gesetzeserlass ließ das darauffolgende 19. Jahrhundert zum absoluten Höhepunkt der österreichischen Mostkultur werden. Zahlreiche Vierkanthöfe in Österreich - vor allem im Mostviertel - wurden in dieser Zeit von Handwerkern und Taglöhnern errichtet, sodass ein einziger Hof meist ein gutes Dutzend Mosttrinker und Mosttrinkerinnen beherbergte und diese auch bis zu einem gewissen Grad mit dem Getränk entlohnt wurden. Daraus geht auch das bekannte Sprichwort: „Diese Häuser hat der Most gebaut.“ hervor. Hinzu kam auch noch die durch die beginnende Industrialisierung herangewachsene neue Konsumentenschicht – die Arbeiterschaft – in Gasthäusern der Großstädte, die ebenso regelmäßig mit dem erzeugten Most der Bauern beliefert wurde. Schätzungen zufolge betrug im Jahr 1880 der Mostkonsum in Oberösterreich etwa 700 000 Hektoliter pro Jahr, das heißt etwa 90 Liter pro Kopf - in der heutigen Zeit eine nahezu unvorstellbare Konsummenge. Vergleicht man den damaligen Mostkonsum in Oberösterreich mit dem aktuellen Bierkonsum in Österreich, der im Jahr 2017 bei ca. 106,1 Liter pro Kopf [o.V. 2018] lag, stellt man fest, dass der Most phasenweise im 19. Jahrhundert eine annähernd gleich große Beliebtheit genoss wie heute das Bier.

So schnell wie der Höhenflug ausbrach, kehrte aber auch wieder Ernüchterung ein. Durch die Mechanisierung in der Landwirtschaft zwischen 1960 und 1980 kam es kontinuierlich zum Abbau von Arbeitskräften. Der Eigenbedarf wurde reduziert, was gleichzeitig einen generellen Imageverlust bewirkte. Der Most war viele Jahre geradezu verpönt.

Trotz des rapiden Rückgangs kann man seit den 1990er-Jahren speziell in Oberösterreich, das mit einem aktuellen Streuobstbestand von ca. 1,2 Millionen Bäumen und einem pro Kopf – Verbrauch von ca. 3,5 Liter im Jahr mehr als 50 % des Mostes in Österreich produziert und trinkt, von einer Most-Renaissance sprechen. Die männlichen und weiblichen Mostproduzenten orientieren sich immer mehr an der Kellereitechnik der Weinbauern, woraus Obstweine mit hohen Qualitätsmerkmalen resultieren. Es kann nicht mehr nur von gutem oder schlechtem Most die Rede sein, eine steigende Sortenvielfalt – vor allem moderne Cider-Kreationen – und die Installierung von zahlreichen Mostsommelier-Kurse unterstreichen den positiven Trend. Verstärkt wird diese Entwicklung natürlich auch durch gezielte Förderungsaktionen des Landes Oberösterreichs zum Erhalt von Streuobstwiesen und eine intensiv betriebene Bewusstseinsbildung von Landwirtschaftsbehörden, um der österreichischen Bevölkerung aufzuzeigen, welchen Beitrag der Most zur österreichischen Gesellschaftskultur und zum österreichischen Landschaftsbild einst beigetragen hat und womöglich zukünftig auch wieder beitragen wird. [Wirtl 2013, Schimmel 2013, Cerny 2013, Schneider et al. 2013, Dachs 2013, Degen 2016]


Quellen:

Wirtl, Maria-Theresia/Dachs, Maria/Cerny, Heimo/Schneider, Romana/Schimmel, Henning et al. (2013): „Rund um den Most, gelebte Mostkultur und Mostschänken in Oberösterreich.“, 1. Auflage, 4020 Linz: Trauner Verlag + Buchservice GmbH http://www.land-oberoesterreich.gv.at/files/publikationen/agrar_mostschaenkenfuehrer.pdf, abgerufen am 07.05.2018

Degen, Bernhard (2016): „Most, die Essenz der Streuobstwiesen.“ In: Falstaff, Falstaff Oberösterreich Special 2016, https://www.falstaff.at/nd/most-die-essenz-der-streuobstwiesen/, abgerufen am 07.05.2018

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